Hallo, ich bin deine Bandscheibe

Lieber Mensch

Wir kennen uns schon lange und deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns hier mal unterhalten. Seit du diesen neuen Bürojob hast, kümmerst du dich nicht mehr gut um mich. So kann es nicht weitergehen, du musst etwas unternehmen. Jaja, ist klar, davonlaufen werde ich dir nicht. Aber warte nur, bis ich spröde und unflexibel werde, du wirst schon sehen! Aber erstmal erkläre ich dir, was ich den ganzen Tag so mache, denn ich habe das Gefühl, dass du mich gar nicht richtig kennst.

Es ist keine leichte Arbeit, die ich hier habe. Glaube mir. Ich sitze hier eingequetscht zwischen den Wirbeln deiner Wirbelsäule und versuche, den ganzen Tag lang schön weich und gallertartig zu bleiben. Ich federe jede deiner Bewegungen ab und schaue, dass die knöchernen Wirbelkörper nicht aufeinanderprallen und sich abnutzen. Das wird gegen Abend ganz schön anstrengend und ich bin dann regelrecht zusammengedrückt vom vielen Druck, der auf mir lastet. Du denkst, ich übertreibe? Wieso glaubst du denn, dass du abends kleiner bist als am Morgen? Da siehst du mal, wie hart ich schufte für dich.

In der Nacht kann ich mich wieder ausbreiten. Aber dafür brauche ich genug Schlaf. Die 5.5 Stunden, die du mir gibst, reichen nicht. Übrigens findet das auch dein Hirn ziemlich doof von dir, es kommt kaum dazu, sich zu regenerieren. Auch deine Muskeln habe ich schon tuscheln gehört. Das war nichts Schönes, das sag ich dir. Wir fordern von dir mindestens 7 Stunden pro Nacht. MINDESTENS!

Dann wäre da dein Job. Ist dir klar, dass du mich hungern lässt? Hallo?! Ich bin nicht durchblutet. Ich lebe nicht in so einem Luxus wie die Muskeln. Ich muss meine Nahrung selber beschaffen. Wusstest du nicht, was? Das erstaunt mich nicht. Ich sauge meine Nahrung aus der Flüssigkeit, die mich umgibt. Dabei verhalte ich mich wie ein Schwamm. Drückst du mich zusammen, fliesst alte Flüssigkeit aus mir raus. Richtest du mich auf, sauge ich frische ein. Und wie bitte, soll ich das bewerkstelligen, wenn du mich nicht bewegst und den ganzen Tag auf Gluteus rumhockst (du weisst schon, unser Freund Gluteus Maximus, dein Pomuskel)?

Ausserdem vertreibst du mich langsam aber sicher aus meinem Zuhause. Ich fühle mich wohl hier zwischen den Wirbeln. Wenn du mich immer in derselben Krümmung der Wirbelsäule hältst, drückst du mich mehr und mehr nach draussen. Ich will nicht zu den Nerven. Die machen immer so ein Drama, wenn man auf sie trifft. Aber das wirst du schon noch merken, wenn du dich nicht mehr bemühst.

Ich merke schon, wie ich langsam anfange spröde zu werden. Tu etwas! Ich bin zu jung für dieses vertrocknete Aussehen. Bald machen sich alle über mich lustig.

Also: Bewege dich mal etwas mehr, vor allem im Alltag! Ich bin dir dankbar für die paar Fussballabende mit den Jungs, aber es reicht nun mal nicht. Ich brauche auch im Alltag Bewegung. Und schlaf mal etwas mehr! Du siehst um die Augen herum schon aus wie meine spröde Wenigkeit, das kann doch nicht sein in deinem Alter. Ach ja und trinke mal etwas mehr Wasser! So, ich bin fertig. Ich hoffe, du schätzt meine Ehrlichkeit. In (vertrockneter) Liebe

Deine Bandscheibe

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