Abenteuer Sitzen: Der Bürodrehstuhl
Der klassische Bürodrehstuhl hat – so lange die meisten von uns denken können - ein Fusskreuz auf Rollen, Gasfeder-Höhenverstellung, Sitz und Rückenlehne. Armlehnen und Kopfstütze sind Ausstattungsoptionen. Soweit so gut – soweit so langweilig. Das war nicht immer so. Werfen wir einen Blick zurück in die Vergangenheit...
Bis etwa Ende der sechziger Jahre waren Sitzfläche und Rückenlehnen bei allen Bürostühlen mehr oder weniger fest miteinander verbunden. Dann kam 1969 der Designer Rainer Bohl und konstruierte die erste verstellbare Rückenlehne. Nur gut zehn Jahre später - 1980 - entwickelten die Designer Franck und Sauer einen beweglichen Bürostuhl mit „Synchronautomatik“, der sich erstmalig an den Benutzer und seinen wechselnden Sitzhaltungen anpassen sollte.
Warum? Weil Arbeitswissenschaftler früh das gesundheitsgefährliche Potential starren Dauersitzens erkannt hatten, forderten sie schon länger lautstark und mit einer etwas nervigen Penetranz Möglichkeiten, der büroüblichen Bewegungsarmut auch im Sitzen ausweichen zu können.
Niemand hätte auch nur im Entferntesten ahnen können, dass mit dieser ja im Grunde philanthropischen Forderung der Frühzeit-Ergonomen eine Kausalkette von hochdramatischen Ereignissen in Gang gesetzt wurde!
Weil auf einmal Ruhm, Reichtum, Ehre und jede Woche ein Designpreis zu gewinnen war, stürzten sich in den Enzwicklungsabteilungen der grossen Bürostuhlhersteller, in kleinen Designschmieden und in den privaten Hobbykellern Tüftler auf den sich schnell zum hippen Statussymbol entwickelnden Bürodrehstuhl.
Neue Verstellmöglichkeiten mussten her, wenn es geht viele. Es begann die Blütezeit der so genannten „Sitzmaschinen“.
Vom Statussymbol "Bürostuhl" zum Krisenobjekt
Dann im schicksalsträchtigen Jahr 1983 geriet die Bürostuhlszene mit ihrem ungebremsten Fortschrittsglauben und ihrer überbordenden Innovationslust in die grösste Krise ihrer Geschichte.
Wie das deutsche Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 16.5.1983 zu berichten wusste, wurden innerhalb kurzer Zeit auf rätselhafte Weise reihenweise Büromenschen von Ihren eigenen Bürostühlen erschossen!
Wie konnte das geschehen?
Zwanzig Zentimeter lange Stahlbolzen brachen sich aus dem Kernstück des gerade erfundenen gasdruckunterstützten, gewichtsausgleichenden Höhenverstellmechanismus - der so genannten „Gasfeder“ - Bahn und schossen raketengleich durch die Büros. Es kam zu wenigstens einem Toten, Schwerverletzten, Gebäudeschäden!
Erste Meldungen über das Gefahrenpotenzial der Bürodrehstühle lösten panikähnliche Reaktionen in Grossraumbüros und Gewerbeaufsichtsämtern aus. Nahezu jedes Sitzmöbel, das mehr als vier Beine hatte, geriet in den Verdacht, solch ein "Feuerstuhl" zu sein, schrieb DER SPIEGEL damals in seiner unnachahmlichen Art..
Als Ursache wurde schliesslich die Materialermüdung einer Feder festgestellt, die zuvor amtlich geprüft, für sicher befunden und in ca. 2,5 Millionen Bürodrehstühlen verbaut worden war. Dass der Hersteller der Feder seine aufgewühlte Kundschaft mit dem Argument beruhigen wollte, allenfalls besonders dicke Menschen könnten von ihrem Stuhl erschossen werden, hatte damals die Gemüter nicht wirklich zu besänftigen vermocht.
Aufsichtsbehörden sahen sich bald genötigt, vor einer speziellen Art der Selbsthilfe zu warnen, von der ihnen damals berichtet worden war: Reihenweise hatten sich Hausmeister mit Schweissgeräten an der besagten Stahlfeder und an dem mit 40 bar Überdruck geladenen Gaskolben zu schaffen gemacht. Es sei mehr als erstaunlich, ja ein Wunder, dass es dabei zu keinen weiteren Toten gekommen sei.
Dieser historische Worst Case und ultimative Image-GAU der Bürostuhlbranche hat in der Folge zu etwas sehr Positiven geführt: die entsprechenden DIN-Normen wurden neu überdacht, überarbeitet und seitdem hat man schon lange nichts mehr von schiesswütigen Bürostühlen hören oder lesen müssen...
Dieser Krimi aus der Frühgeschichte des ergonomischen Bürostuhls hat sich vor mehr als 40 Jahren abgespielt. Gut, dass es einige Überlebende gibt, die der nachfolgenden Generation berichten können, wie vogelwild es zugegangen ist, damals in den Büros am Ende des vergangenen Jahrtausends.
Testen Sie Ihren neuen Bürostuhl - in sicherer Umgebung
Weil aus den Ereignissen von damals die richtigen Schlüsse gezogen wurden, können wir Sie heute in unserer Büromöbelausstellung in Aadorf/ Schweiz mit gutem Gefühl bitten, auf unseren ausgesucht hochqualitativen Bürodrehstühlen Platz zu nehmen und die elaborierte Ergonomie der Produkte völlig gefahrlos am eigenen Leibe zu erleben.
Wir garantieren Ihnen, dass wir zuvor jeden neu angelieferten Bürostuhl selber durch ein Mitglied unseres Teams einem Belastungstest unterzogen haben. Den Test-Sitzer ermitteln wir bis heute durch das Ziehen eines Streichholzes...
[ Herzlichen Dank an den SPIEGEL, der es erlaubt, den Original-Artikel von 1983 hier zu verlinken. Lesen und staunen Sie selbst: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14018861.html ]